7.8.07

Liebe? Leidenschaft

Hier nun das Erlebnis der Erlegung des ersten Hirsches in Schriftform als Nachtrag zur Darstellung in graphischer Form. (Vorsicht lang!)
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Viel Spaß beim Lesen

waidmannsheil

Euer

Stefan


Liebe? - Leidenschaft!!!
von Falk Brauer

Nun hatte ich meinen zweiten Jahresjagdschein in der Tasche und hoffte dass es nach einem ersten Jagdjahr ohne ein Stück Rotwild auf meiner Strecke dieses Jahr klappen würde in die "Gilde" der Rotwildjäger aufzusteigen.

Schon im späten Frühjahr konnte ich meine Liebe zu einem wirklich alten Hirsch der Altersklasse 4 entdecken. Immer wieder hatte ich ihn direkt unter meiner Leiter friedlich im Raps äsen sehen. Ich kannte seinen Einstand und wusste, wo er des Abends zu Felde zog. Ich verfolgte seine Entwicklung vom kräftigen Kolbenhirsch zum 12-Ender mit breiter Auslage und wuchtigen großen Stangen. Er war wirklich reif mit kräftigem Vorderschlag, Hängebauch, ausgeprägtem Widerrist und einem Gang "wie eine Kuh".

Es nahte der erste Juni, bei uns der Aufgang der Jagd auf Schmalspießer und -tiere. Ziemlich pünktlich, am 02.06. gelang es mir auch, nach kurzer Pirsch mit einem schwachen Schmalspießer mein erstes Stück Rotwild auf die Decke legen zu können. Danach galt es mehr dem Schwarzwild, was im Gegensatz zum Vorjahr dieses Jahr in großer Stückzahl im Felde zu Schaden ging. Fleißiges Ansitzen brachte dann mit zwei Keilern und einem Frischling auch den erwünschten Erfolg. Nebenbei konnte ich auch immer wieder Rotwild ausmachen, sowohl Kahlwild als auch Feisthirschrudel und immer mal wieder den alten Zwölfer, der aber immer heimlicher wurde.

Anfang Juli saß ich wieder auf Sauen an. Aber was passierte? Im besten Büchsenlicht konnte ich meinen ersten "richtigen" Hirsch erlegen. Anfang Juli? War dem Jungjäger sein Jagdschein so egal? Nein. Ein laufkranker zweijähriger Spießer, aufgebrochen gerade einmal 63kg schwer wollte von seinem Leiden erlöst werden. Dieses Jahr sollte wohl mein Rotwildjahr werden, oder?

Nur noch wenige Tage sollten es bis zum Aufgang der Hirschjagd sein und ich hatte mir vorgenommen, wieder auf Sauen in "meiner Hirschecke" anzusitzen und nebenbei nach den "Roten" zu sehen. So saß ich auch am 31. Juli und freute mich, die schon einige Wochen nicht mehr im Anblick gehabte "Liebe", "meinen" alten 12er direkt unter der Leiter zu haben. Nur sollte ich mich wirklich freuen? Ich wusste um die Heimlichkeit der alten Hirsche noch dazu mitten in der Feistzeit. Sollte er morgen noch einmal hier auf die Wiese wechseln? Noch auf dem Ansitz grübelte ich darüber, ob es wirklich gut war, am Vorabend des Rotwild-Jagdbeginns hier anzusitzen. Lange wartete ich mit dem Abbaumen, nachdem der Hirsch unmittelbar neben mir in den schmalen Waldstreifen hineingewechselt war. Der aufgehende Vollmond war mir heute egal. Mich hatte das Hirschfieber gepackt! In einem großen Bogen umschlug ich die Dickung, in der ich den Hirsch vermutete. Daheim erzählte ich die Begebenheit meiner Großmutter, die mit ihrer Erfahrung als Jägersfrau - mein Großvater war ein leidenschaftlicher Nimrod - nur meinte: "Der kommt nicht wieder!".

Im Bett daheim sprach mir meine Frau Mut zu - schlafen konnte ich ob des schon erwähnten "Fiebers" dennoch nur sehr schlecht.

Tagsüber des ersten Augusts zählte ich jede Minute bis zum ersehnten Feierabend. Schnell schlang ich daheim das von meiner Frau liebevoll zubereitete Abendbrot hinunter - heute hatte sie Verständnis, dass ich das gute Essen nicht so zu würdigen weiß. Die wenigen Kilometer bis ins Revier erschienen mir heute unendlich lang. Mein Landrover wollte heute auch irgendwie nicht so schnell fahren wie sonst. Kurz vorm Eintreffen im Revier schweift mein Blick immer zu den Windkrafträdern auf dem Kamm. Schön kann man da immer die aktuelle Windrichtung erkennen. Doch was ist das! Der Wind steht genau falsch für meinen Plan! Noch ein zweites mal geschaut - Nein, passt alles! Ich hatte die Drehrichtung der Rotoren nur verwechselt. Der Wind steht also optimal! Noch einen Blick durchs Glas auf den Revierteil wo ich heute mein Glück versuchen wollte. Wieder so ein Rückschlag. Die Bauern hatten die Rinder direkt hinter die Weide hinter dem Waldstreifen gekoppelt. Dort muss er vorbei, der Hirsch. Schade! Aber versuchen wollte ich es trotzdem. Schnell packte ich die Waffe und mein Jagdzeug im Hause meiner Eltern. Heute nahm ich die "große Pille" (9,3 x 62) meines Vaters mit. Direkt an der Grenze zum Nachbarn wollte ich mit der "kleinen" (7 x 65) keine Experimente machen. Hatte ich doch vor Kurzem schon einen halben Keiler an diesen verloren.

Kurz vor acht Uhr abends stellte ich mein Auto an den wenigen Gehöften des abgelegenen Ortsteiles unseres Dorfes ab und begab mich in geringem Abstand zu dem Waldstreifen zu meinem Ansitz.

Es war ein schöner Abend. Die Sonne lachte, kaum ein Lüftchen ging. Die Kinder spielten im nur 150, 200m entfernten Gehöft. Die Glocke der Leitkuh der nur 200m vor mir gekoppelten Rinderherde läutete hin und wieder, die Vögel zwitscherten.

Ich freute mich des Schauspiels der Rehbrunft. Oder sollte ich mich wirklich freuen? Ein geringer Spießer hatte sich die Liebe eines Schmalrehs erkämpft. Und treib diese den ganzen Abend lang. Liebe? Oder war es mehr Leidenschaft? Der Bock beschlug das Schmalreh drei mal hintereinander um sich dann - irgendwie kommt mir das bekannt vor - im niedrigen Gras zu betten und auszuruhen. Nach einer Viertel Stunde ging das Schauspiel weiter. Immer wieder trieben die beiden krachend durchs Unterholz. Ich hatte meine zwei Böckel dieses Jahr schon erlegt und musste nun mit ansehen, dass sich so ein Schwächling vererbt.

Der so schon gedämpften Freude kam noch mein Glaube hinzu, dass dieses Spektakel die Hirsche fernhalten würde. Auch die laut spielenden Kinder und der dazu bellende Hofhund tun der Sache nicht gerade gut, dachte ich.

Gegen neun Uhr wieder mal ein kräftiges Knacken im Unterholz. Zunächst dachte ich an das "Liebespaar", was noch genug Kraft in den Knochen hat, um sich immer wieder ihrer Leidenschaft hinzugeben. Aber nein, das können sie nicht gewesen sein. Beide trollen sich am Rand des Rapsfeldes, ca. 150m vor mir. Stilles, gespanntes Warten. Unendlich lang kam mir die halbe Stunde vor, in der es immer mal wieder laute im Unterholz knackte. Sollten es etwa die Kühe sein, die hinter mir vielleicht bis an den Waldrand gekoppelt waren und hin und wieder einmal einen Ast erwischten?

Nein. Punkt halb zehn ragt vorsichtig ein Hirsch sein Haupt aus der Dickung! Und was für einer! Gerade als ich ihn als ungeraden Zwölfer angesprochen habe zieht er langsam, nur 50m von mir entfernt auf die Wiese. Er hatte bereits voll verfegt und stand gut im Futter. Es war nicht der "Alte", aber Altersklasse drei war er wohl. Ihm folgt ein achter, ebenfalls gefegt. Noch überlegte ich, ob ich nicht eher diesen erlegen solle, als beide langsam auf mich zuzogen. Was nun? Der Zwölfer stand breit, keine 35 Meter, der Achter spitz zu mir. Langsam griff ich zum Repetierer und schob vorsichtig die Sicherung nach vorn. Jede Bewegung lief wie im Zeitraffer ab. Geräusche waren fast nicht zu vernehmen. Dennoch waren die Hirsche immer wieder unsicher auf und äugten in meine Richtung. Sollte ich warten, bis dass der Achter breit stand und dabei das Risiko eingehen, dass sie abspringen? Ich nahm den Achter ins Visier und wartete. Beide ästen wieder relativ vertraut, bewegten sich aber keinen Meter vor noch zurück. Nein, ich wollte nicht mehr warten. Der ungerade Zwölfer hatte voll verfegt, hatte nur auf einer Seite eine Krone gebildet, die Enden waren spitz und weiß. "Daraus wird nicht viel mehr...", hörte ich innerlich schon meinen Vater sagen. Also galt es diesem Hirsch. Bange - vermeintliche - Minuten vergangen, bis das der Hirsch aufwarf. Der Schuss brach und traf ihn ins Blatt. Er sackte vorn zusammen und flüchtete tief dem schon überholenden Achter nach in Richtung des Waldstreifens, an dessen Kante ich saß. "Bleib! Bleib!", schoss mir durch den Kopf "keinen Meter weiter, die Waldkante ist die Grenze!". Als ob er meine Gedanken vernommen hatte blieb der Hirsch genau da stehen, blickte noch einmal gen Himmel und brach in sich zusammen. Kurz schlegelte er noch, warf sein Haupt noch zwei oder dreimal auf, dann war das letzte Bisschen Leben aus ihm gewichen. Ich schaute auf die Uhr. Der unendlich lang erscheinenden Minuten vom Auftauchen des Hirsches bis zum Schuss waren es nur drei. Mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor. Auch spürte ich wie immer überhaupt keinen Rückschlag, der sonst beim Probeschießen so tretenden leichten Büchse. Ich gebe zu, jetzt Jagdfieber gespürt zu haben. Meine Hände zitterten. Schon längere Zeit ist mir das nicht mehr so aufgefallen. Zur Beruhigung zündete ich mir eine Zigarette an und genoss den Augenblick. Der Hofhund war verstummt, die Kinder lagen wohl schon im Bett und die Kühe warfen nur neugierige Blicke zu mir herüber.

Ich wartete nur noch wenige Minuten bis ich, nun wieder etwas beruhigt zu meinem Hirsch ging. Da lag er nun! Ich stand da und, das hatte ich noch nie getan, zog mehr unterbewusst ehrfürchtig meine Hut um ihm die letzte Ehre zukommen zu lassen. Innerlich danke ich allen gleichzeitig, St. Hubertus und Diana für dieses Erlebnis, St. Petri für den optimalen Wind, meiner lieben Frau, dass sie mir heute besonders stark die Daumen drückten und meinem Vater mit seinen Mitpächtern, die mir meine Jagdgelegenheit ermöglichen.

"Hm. Das Bergen wird jetzt lustig", ging es mir durch den Kopf. Ich eilte zum Auto, um meinen Bruder per Handy zu rufen. Er ist, nachdem mein Vater (wie jedes Jahr zum Aufgang der Hirschjagd, warum auch immer) im Urlaub ist und alle meine Mitjäger draußen wohl noch auf den Mond warten der einzige, der mir jetzt mit seinem Geländewagen mit Anhängerkupplung helfen kann. Weit gefehlt! Er war mit einem Dienstwagen daheim, zum Bergen mussten wir uns wohl noch weitere Hilfe holen. Aber zunächst half er mir beim Aufbrechen, welches heute irgendwie länger als sonst brauchte, bei so einem Hirsch aber wohl nicht zu verdenken.

Eine besondere Freude machte mir mein Bruder, als er mir den Erlegerbruch mit einem besonders herzlichen "Weidmannsheil" und einem kräftigen Händedruck überreichte. Der Hirsch bekam seinen letzten Bissen und Dirk seinen Anteil, das trotz Blattschuss unversehrte Herz.

Nun wollten wir im Dorf nach Hilfe suchen. Unser erster Anlaufpunkt sollte Mitjäger Karl-Heinz sein, der hat einen Jeep mit Anhänger, sitzt aber bestimmt noch draußen in der Sauensonne. Glück gehabt! Karl-Heinz war da und machte sich sofort in die Spur. Bin Hinausfahren trafen wir noch Altjäger Lutz, der auch gleich mitkommen wollte. Alle teilten meine Freude, bestätigten mir, dass ich alles richtig gemacht habe und gratulierten mir mit "Weidmannsheil!".

Wir Vier luden die Beute auf den Anhänger, auf welchem diese aber nicht recht Platz finden wollte. Das Haupt hinten hinausragend, verbrachten wir den Hirsch in Karl-Heinz´ Kühlzelle. Beim Versuch ihn zu wiegen mussten wir die Endlichkeit der Deckenhöhe kennenlernen. Trotz Abtrennens des Hauptes gelang es uns nicht, den Hirsch frei hängend zu wiegen. Außerdem endet die Skala der Waage schon bei 100kg, wir schätzen ich einfach mal auf 115kg ohne Haupt in der Decke. Zerwirkt wogen wir später noch einmal Decke und Wildbret separat und kamen so auf 112kg. Schon ein großer Berg Wildbret so ein Hirsch!

Ob der Freude tranken wir gemeinsam noch ein Hirschbier - Uhrzeit und die Tatsache, dass wir am nächsten Morgen alle früh aufstehen mussten waren jetzt Nebensache. Alte Geschichten wurden herausgekramt und irgendwann packte uns doch die Müdigkeit. Bei mir war an ein schnelles Einschlafen nicht zu Denken. Die Erlebnisse, welche ich meiner im kuscheligen Bett wartenden Frau "brühwarm" erzählen musste und meine immer noch nicht ganz gewichene Aufregung hielten mich noch eine Weile wach.

Tags darauf begann ich, die Trophäe herzurichten. Das Ausmessen der Stangen (90 bzw. 92 cm lang, 14cm Stangenumfang an geringster Stelle zwischen Aug- und Mittelspross) ergab nach Nomogramm ein Alter von 8 Jahren, welches auch der Unterkiefer nach mehreren Methoden verriet.
Nun grübele ich schon ein paar Tage über das Erlebte nach. Kann man es Liebe nennen, wenn man einem Hirsch nachstellt? Oder ist es eher Leidenschaft, denn eine Liebe will man doch nicht töten? Oder ist es, wie mir ein Jäger sagte "Liebe zu Jagd" auch Passion genannt?

Aber eigentlich: Meine "Liebe" der alte Zwölfer war es ja nicht. Sei er einem meiner Mitjäger gegönnt. Ich werde dieses Jahr keinen Hirsch mehr erlegen. Nun gilt es vornehmlich den Sauen und vielleicht etwas Kahlwild.

Weidmannsheil,

Euer Falk

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Der Bericht ist nicht lang, er ist toll!

Und macht große Lust aufs Jagen.